Studie über die Seele - aus geistiger Sicht*
* Grundlage dieser Studie ist das "Buch des Wahren Lebens" und andere Neu-Offenbarungen.
Der Begriff "Seele" ist den Menschen bekannt, doch sie haben unterschiedliche Meinungen darüber, was die Seele ist. Man weiß, dass sie ein Bestandteil des Menschen ist und fügt sie ein in den Dreiklang von Körper — Seele — Geist. Drei Bestandteile, die die Einheit "Mensch" bilden, wobei jeder Teil eine andere Aufgabe hat.
Der Körper ist der sichtbare, materielle Teil des Menschen; er dient als Schutzhülle für Seele und Geist und ist gleichzeitig deren Werkzeug, um sich der Außenwelt mitteilen zu können. Da der Körper sichtbar und betastbar ist, wurde er im Laufe der Zeit von den Wissenschaftlern untersucht und erforscht, sodass man weitgehendst von seinen Aufgaben und seinem wunderbaren Mechanismus Kenntnisse hat. Er funktioniert so perfekt und logisch, dass viele vergessen haben, dass dahinter eine höchst weise, geistige Kraft steht.
Über die beiden anderen Bestandteile des Menschen sind die Kenntnisse weniger gesichert und teilweise verschwommen. Da sie unsichtbar sind und nicht experimentell untersucht werden können, tut sich die Wissenschaft sehr schwer, Wesen und Aufgabe von Seele und Geist richtig zu erklären. Und doch ist es sehr wichtig, Klarheit darüber zu haben, denn wenn es gelingt, den Schleier des Unbekannten zu heben, erhalten wir auch eine genaue Erkenntnis über den Sinn und Zweck des menschlichen Erdenlebens. Allerdings ist unser Verstand allein dazu nicht fähig, denn Geistiges kann nur geistig erfasst und erklärt werden. Aber Gottes Geist offenbart diese Geheimnisse durch Menschen, die Er zubereitet hat, Seine Inspirationen zu empfangen. Durch diese Werkzeuge hat Gott uns die Kenntnisse geoffenbart, die unser begrenzter Verstand zu fassen fähig ist.
Die materielle, sichtbare Weltenschöpfung besteht seit unfassbaren Zeiten; jedoch vor ihr gab es schon eine geistige Schöpfung. Ihr Urheber ist Gott, der Urgeist von Ewigkeit her. Im Mittelpunkt Seines Wesens brannte das Feuer der vollkommenen Liebe, die Seine Haupteigenschaft ist. Doch was nützt die höchste Liebe, wenn dieselbe nicht weitergegeben und damit bewiesen werden kann? — Also schuf sich Gott in einem Geistwesen ein Gefäß, in das Er Seine Liebe, Seine Weisheit, Sein Licht und auch Seine Schöpferkraft hineinlegen konnte. Es war ein Wesen, aus Gottes Liebesherzen hervorgegangen, ein Ebenbild Gottes, denn es trug die gleichen göttlichen Eigenschaften in sich. Da es ein reiner Spiegel des göttlichen Lichtes war, war ihm sinngemäß die Bezeichnung "Luzifer" oder "Lichtträger" zu eigen. Dank der göttlichen Vollmacht konnte dies erstgeschaffene Wesen schöpferisch tätig sein, und bald gingen aus ihm andere, gleiche Wesen hervor, doch von geringerer Kraft. Auch sie waren Kinder der Liebe Gottes, in strahlendem Licht, in höchster Vollkommenheit. So erlebte Gott die unaussprechliche Freude, Seine Liebe in den unzähligen Geistwesen widergespiegelt zu sehen.
Der erstgeschaffene Geist war überglücklich, aber als ein von Gott erschaffenes Wesen war er an den Schöpferwillen gebunden.
Gott aber wollte, dass er sich frei entfalten konnte, weil dies erst das Merkmal eines göttlichen Wesens ist. Die Liebe Luzifers zu seinem Schöpfer sollte so übermächtig sein, dass sie allein ausschlaggebend war für die freiwillige Unterordnug seines Willens unter den göttlichen. Diesen Liebesbeweis wollte Gott von Seinem Erstgeschaffenen erhalten, und dazu gab Er ihm die völlige Willensfreiheit. Auch die unzähligen Geistwesen besaßen die freie Willensentscheidung, waren also nicht dem Muss-Gesetz der Kreatur unterworfen, sondern als Kinder Gottes frei entscheidende Wesen. Gott lehrte sie durch das Gewissen, das als Stimme und Äußerung Seines Willens in ihrem Geiste vernehmbar war. Der Stimme des Gewissens sollten sie folgen, nicht im Zwang, sondern in freier Willensentscheidung, als Erwiderung der großen Liebe, die Gott ihnen entgegenbrachte.
Kennzeichnend für die Willensfreiheit ist, dass sie in sich den verborgenen Anreiz trägt, das Gegenteil von dem zu tun, was das Gewissen rät. Es waren somit in den Geistwesen stetige Gegensätze vorhanden, die sie veranlassten, sich im freien Kampf dauernd zu entscheiden: die göttlichen Tugenden zu verwirklichen oder deren Gegenteil zu tun. Während langer Zeiträume siegte die göttliche Stimme des Gewissens und alles war in der rechten Ordnung. Doch es kam ein Zeitpunkt, an dem Luzifer nicht mehr der geistigen Führung Seines Schöpfers gehorchen wollte. Die Herrlichkeit des erstgeschaffenen Wesens war so groß, dass es sich von ihr blenden ließ. Luzifer sah die ungezählten Wesen, die sein Wille in Erscheinung hatte treten lassen, und er fühlte sich selbst als deren Erzeuger, wenngleich er wusste, dass er die Kraft dazu von Gott erhalten hatte. Die geschaffenen Geister konnte er schauen, die Quelle der Kraft jedoch nicht, da Gott sich nur bei seltenen Gelegenheiten sichtbare Gestalt gibt, um Seiner Kinder willen. In seiner Verblendung glaubte Luzifer schließlich, die Kraftquelle sei in ihm selbst, und er erhob sich zum alleinigen Herrscher über "seine" Geister, die er zu überzeugen wusste, dass nicht Gott, sondern er, Luzifer, ihr Schöpfer ist und sie sich seinem Willen unterzuordnen haben.
Luzifer hatte sich gegen seinen Schöpfer entschieden. Nun mussten sich auch die unzähligen Geistwesen entscheiden, der freie Wille konnte wählen. — Gottes Lichtstrahl erleuchtete sie, und sie fühlten ihren göttlichen Vater, obwohl sie ihn nicht schauen konnten. Sie empfanden Seine Liebe und hörten Seine Stimme in ihrem Gewissen. — Auf der andern Seite war Luzifer, bei dem sie sehr wohl eine Willenswandlung bemerkten. Doch da sie ihn sehen konnten und ihm als ihrem direkten Erzeuger in Liebe zugetan waren, schenkten sehr viele seiner Aufforderung Gehör, unterstellten sich seinem Willen und strebten damit von Gott los. Bei diesen abtrünnigen Geistern vollzog sich nun eine folgenschwere Veränderung.
Die Liebe, Mittelpunkt des Göttlichen Geistfunkens, musste sich von den Geistwesen trennen, nachdem dieselben sich gegen ihren Schöpfer entschieden hatten. Dadurch entäußerten sie sich selbst der göttlichen Lebenskraft, und die ohne den Geist verbliebenen Gefäße und Ausführungsorgane (Seelen) verhärteten sich zu einer Seelensubstanz.
In Seiner Allwissenheit wusste der Schöpfer, dass ein großer Teil Seiner Kinder die große Liebe-Prüfung nicht bestehen würde, und Er hatte Seinen Plan bereit: Nicht die Vernichtung der Abtrünnigen, sondern ihre Rückführung. Da die Geistwesen durch die verkehrte Ausübung ihres freien Willens sich von Gott abgewandt hatten, wollte Er sie mit großer Geduld — auf einem unendlich langen und beschwerlichen Weg, fern Seinem Vaterhaus — so zubereiten und erziehen, dass sie wieder den Weg zu Seinem Vaterherzen finden würden. Gott erfasste die Seelensubstanz Luzifers sowie die der zahllosen ihm ergebenen Wesen, löste sie in kleinste Partikelchen auf und formte sie um zur sichtbaren, materiellen Schöpfung. — Für den Verstand ist dies unbegreiflich; nur wer schon geistiges Wissen besitzt, kann es ahnend erfassen. Dem Wissenschaftler ist es ein Ärgernis, die These anzuerkennen, dass das Stoffliche, die Materie, gerichtete, verhärtete Seelensubstanz ist. Aber vor diesem Hintergrund sind uns die Worte im Brief des Apostels Paulus an die Römer, Kapitel 8, Vers 19, verständlich, dass nämlich die ganze Kreatur seufzt und mit uns ihrer Erlösung harrt.
In dem für unsere Begriffe unendlich langen Entwicklungsprozess muss die Seelensubstanz sich fortwährend verändern, verwandeln, zu immer neuen und höheren Lebensformen. Dadurch ist auch verständlich, warum die Materie vergänglich ist, d. h. warum sie sich ständig im Vorgang des "Stirb und Werde" befindet. Mit andern Worten gesagt: Die Materie hat keinen Ewigkeitsbestand, da sie nur die Hülle von geistigen Seelensubstanzen ist, die sich höherentwickeln müssen und daher nicht ewig in der gleichen Hülle bleiben können. Die Materie selbst besteht zwar aus derselben Seelensubstanz, aber sie steht noch am Anfang ihrer Entwicklung und muss daher als niedrigere Lebensform den schon höher entwickelten Lebensformen in der Schöpfung dienen. Während diese für uns normalerweise unsichtbar sind, ist die Materie für uns sinnlich wahrnehmbar, da auch unser Körper aus Materieteilchen besteht, also aus verdichteten Seelenpartikelchen derselben niederen Schwingung.
Die in der materiellen Schöpfung gebundenen Seelenpartikel müssen sich im Verlauf des Entwicklungsprozesses gleich einer Kristallbildung zusammenschließen. Die Aufwärtsentwicklung beginnt im Mineralreich und setzt sich fort über das Pflanzen- und Tierreich. Dies ist so zu verstehen, dass z. B. im Tierreich die Seeleneinheiten großer Mengen von Kleinsttierchen nach einer längeren Entwicklungsperiode beim Absterben ihrer Hüllen zu einer größeren Einheit zusammengefasst werden, um eine schon höher entwickelte Seelensubstanz zu ergeben, die sich in einem größeren Tier weiterentwickelt. Dieser Vorgang wiederholt sich mehrmals, bis schließlich in klugen Tieren die Seele ihre höchstmögliche Ausreifung auf dieser Entwicklungsstufe erreicht hat. Mehrere solcher Seelen werden dann gemäß dem göttlichen Erlösungsplan, der keinen Stillstand in der Aufwärtsentwicklung duldet, zu einer neuen Einheit zusammengefasst und ergeben eine menschliche Seele. Die Seelenentwicklung über die Schöpfungsbereiche des Mineral, Pflanzen- und Tierreichs dauert Jahrmilliarden, und sie wird von Gottes Geist geleitet durch Sein unzählbares Heer von Lichtgeistern, die Seinen Willen naturgesetzlich übermitteln und durchführen.
Die ausgebildete Seele steht nun bereit. Sie hat auf ihrem Gang durch die verschiedenen Naturreiche Kräfte und Fähigkeiten erworben und harrt auf die letzte Stufe ihrer Entwicklung: die Inkarnation im Menschen. Sie nähert sich den Liebenden auf Erden, und bei der Zeugung wird sie in den Leib der künftigen Mutter gelegt. Aber noch fehlt das Wesentliche, damit die Seele ihre höchste Vervollkommnung erlangen kann. Kurz vor der Geburt des neuen Erdenbürgers lenkt Gott einen zur Erst-Inkarnation bereiten Geist in die Seele. Dadurch ist das Geistwesen wieder vollständig: Die beiden Teile dieser Einheit streben nun gemeinsam die EndEntwicklung zur Vollkommenheit an, was auch noch eine lange Zeit beansprucht und über viele Reinkarnationen geht, also über mehrfache Leben auf Erden in verschiedenen Zeitepochen.
Im Falle einer Reinkarnation steht die Geist-Seele-Einheit zur Inbesitznahme eines neuen Erdenkörpers bereit, jedoch auch dann dringt die Seele bei der Zeugung zunächst allein in den Leib der Mutter ein und nimmt die Verbindung mit dem werdenden Lebenskeim auf. Der Geist gelangt erst später in seine Seelenhülle, in einigen Fällen früher, in anderen später, jedoch nicht später als drei Tage vor der Geburt. — Da die Seele aus zahllosen winzigsten Partikelchen besteht, die nicht absolut unlösbar miteinander verbunden sind, nimmt sie beim Zeugungsvorgang auch Seelenteilchen der Eltern in sich auf, womit — neben der Anziehungskraft verwandter Seelen — die Vererbung mancher elterlicher Anlagen erklärt werden kann.
Nachdem im Vorstehenden die Herkunft und die Entwicklung der Seele erläutert wurde, soll nun ihr Wesen und einige ihrer Aufgaben im menschlichen Leben beleuchtet werden. Als erstes soll nochmals klar herausgestellt werden, dass die Seele nichts Irdischmaterielles ist, sondern eine unsichtbare, ätherisch-geistige Kraft. Sie ist einstmals aus Gottes Geist als ein selbstständiges Wesen hevorgegangen und hat nach einem Ewigkeiten währenden Sühnegang durch die göttlichen Schöpfungen wieder zu ihrer ursprünglich bestimmten Aufgabe zurückgefunden. — Räumlich gesehen erstreckt sich die Seele im Menschen über den gesamten menschlichen Körper; gleich dem Nervensystem verteilt sie sich über alle Organe und Teile des Leibes. Sie belebt den Körper, der ohne sie leblos wäre und bei ihrer Loslösung von ihm diesen als leblose Hülle zurücklässt. Praktisches Denken und Wollen, sinnenhaftes Fühlen und Empfinden, sowie Hören, Sehen, Schmecken und Riechen sind Funktionen der Seele. Sie ist die innere, treibende Kraft der körperlichen Hülle, und nur wer die Gabe des geistigen Gesichts hat, kann sie schauen und erkennen, dass sie völlig die Form der zugehörigen menschlichen Gestalt besitzt; daher wird sie auch als Astralleib bezeichnet.
Die Seele ist zusammen mit den körpereigenen Abwehrkräften verantwortlich für die Gesundheit des Körpers. Wenn sie ungestört und harmonisch schwingen kann, bildet sie einen Schutzwall gegen alle Arten von Krankheitserregern. Falls diese jedoch schon in den Körper des Menschen eingedrungen sind, nimmt die Seele im Zusammenspiel mit den körperlichen Abwehrfunktionen sofort den Kampf gegen sie auf, um sie unschädlich zu machen oder zu vertreiben. Es ist ein richtiger Kampf, durch den erhöhte Temperaturen hervorgerufen werden, die wir als Fieber kennen. — Auch bei der Ernährung des Körpers hat die Seele eine Aufgabe zu erfüllen. Die feineren Lebenskräfte der vom Körper aufgenommenen Nahrung werden von der Seele an alle Körperorgane weitergeleitet, damit jedes die ihm zuträglichen feinstofflichseelischen Energien erhält. Doch wenn wir zu viel essen und trinken, fühlen wir unsere Seele dumpf und träge werden, weil sie zu sehr von körperlichen Belangen in Anspruch genommen ist und daher für einige Zeit ihre Beschwingtheit verloren hat.
Diese kleine Studie wäre unvollständig, wenn nicht auch das Verhältnis zwischen Seele und Geist erläutert werden würde und nicht gesagt würde, was der Geist ist und welche Aufgaben ihm zukommen. Zunächst, was er nicht ist: er darf nicht mit "Verstand" verwechselt werden. Der Geist im Menschen ist ein Funken des Göttlichen Geistes, der göttlichen Liebe, des göttlichen Lichtes. Er trägt in sich alle göttlichen Eigenschaften, daher nennt Gott uns Seine Ebenbilder, und wir dürfen Ihn Vater nennen. Dennoch muss unser Geist laufend Kraft schöpfen aus der Quelle seines Ursprungs: durch Gebet und geistige Erhebung sowie durch Studium der göttlichen Offenbarungen. Nur so kann er aktiv und lebendig bleiben und dem Menschen die Liebe, Weisheit und Kraft vermitteln, um Gottes Gebote erfüllen zu können.
Der menschliche Geist — göttlicher Herkunft — wurde vom Schöpfer in Adam gelegt gemäß dem biblischen Bericht, wonach Gott Seinen Hauch des Lebens in die Nase Adams blies. Seitdem wiederholt sich dieser unsichtbare Gnadenakt bei der Geburt eines jeden Menschen, wenn der Geist in die Seele eingebettet wird. Die Seele bildet gleichsam die Hülle für den Geist, so wie der Körper die Hülle für die Seele ist. Aufgabe des Geistes ist es nun, die Seele zu erleuchten, sie mit den göttlichen Tugenden zu durchdringen. Bei diesen Bemühungen darf jedoch der Geist die Seele nicht zwingen; diese muss sich in freier Entscheidung der Führung des Geistes unterordnen.
Die im Menschen inkarnierte Seele ist zunächst völlig dem Körper zugewandt und ist bereit, alle seine Wünsche zu erfüllen. Und im gleichen Maße, wie sich der Körper entwickelt, werden auch die irdisch-sinnlichen Eigenschaften der Seele stärker, die sie von ihrem langen Entwicklungsweg her noch in sich trägt. Hier beginnt nun die Aufgabe des Geistes. Mit Liebe und Geduld muß er die Seele durch das Gewissen belehren, dass sie die niederen und bösen Neigungen ablegen und das irdische Verlangen des Körpers — falls unerlaubt — überwinden muss. Findet der Geist Gehör bei der Seele, dann hat er einen großen Erfolg erreicht, auch wenn es immer wieder Rückfälle gibt, bei denen die Seele die irdischen Wünsche des Körpers erfüllt. Wenn die Seele fortfährt, sich für die Ermahnungen des Geistes offen zu halten, können die geistigen Tugenden immer mehr in sie eindringen, und gleichzeitig wird sie zunehmend immun gegen die verkehrten Wünsche des Körpers. Die Folgen dieser Wandlung werden dann sichtbar an den Ausstrahlungen des Menschen: Es ist ein Mensch mit guten Gedanken und reinen Gefühlen; er zeigt Demut, Geduld und Güte sowie Nächstenliebe. Wenn die Stunde des Todes kommt, verlassen Geist und Seele in voller Harmonie und großer Freude den irdischen Körper, denn sie wissen, dass sie im Jenseits Seligkeit und Frieden erwartet. Als Einheit gehen sie den vorgezeichneten Weg im Geistigen Reich weiter, bis sie die höchste Vollkommenheit wiedererlangt haben, die sie hatten, als Gott sie als Geistwesen schuf. Damit ist der Heilsplan Gottes zu Ende geführt und die Rückkehr des "Verlorenen Sohnes" erreicht.
Aber der Ablauf eines Menschenlebens kann auch ganz anders vonstatten gehen. Wenn die Seele sich den Belehrungen und dem Drängen des Geistes widersetzt, öffnet sie sich mehr und mehr den Forderungen des Leibes und den niederen Eigenschaften in sich. Der Geist kämpft einen verzweifelten Kampf und erbittet hierzu Kraft und Weisheit von seinem Himmlischen Vater. Lehnt die Seele in ihrer freien Willensentscheidung hartnäckig alle Einflüsse und Ermahnungen des Geistes ab, so wird sie zum Sklaven der sinnlichen Leidenschaften, der materiellen Wünsche und aller selbstsüchtigen Impulse. Sie sinkt so tief, dass der Gottesfunken in ihr zur Untätigkeit gezwungen ist; er wird zum Gefangenen in der seelischen Hülle, der Mensch ist dann "geistig tot." — In diesem Stadium wird klar ersichtlich, dass Geist und Seele zwei verschiedene Kräfte sind. Während der Geist zur Untätigkeit verurteilt ist und sich nicht mehr durch das Gewissen fühlbar macht, lebt die Seele sehr intensiv im "gewissenlosen" Menschen (andernfalls wäre der Körper leblos), und ihre bösen Untugenden werden dann über die Gedanken und Worte, über Gefühle und Handlungen in der Außensphäre des Menschen erkennbar. Gott gibt Sein Kind in diesem verlorenen Zustand nicht auf. Wenn die Seele die Stimme des Gewissens nicht hören will, spricht Gott zu ihr durch Krankheiten in ihrem materiellen Körper und durch mancherlei Nöte. In vielen Fällen beginnt dann die Seele nachzudenken und ist bereit, die Mahnungen des Geistes zur Umkehr zu beachten. Auf diese Weise vollzieht sich ein Wandel, und die Seele unterstellt sich freiwillig der Führung des Geistes. Er zieht sie an sich, durchdringt sie mit den geistigen Tugenden, und so gehen sie gemeinsam den beschwerlichen Weg der Höherentwicklung, bis sie Gott aus dem irdischen Leben abruft.
Leider gibt es unzählige Fälle, in denen die Seele trotz der guten Ermahnungen des Geistes durch das Gewissen und trotz der Prüfungen in ihrem bösen Treiben verharrt. Wenn eine solche Seele vom Tod überrascht wird, gibt es für sie im Jenseits ein böses Erwachen. Dort kann sie der Stimme des Gewissens nicht mehr entfliehen, die sie unerbittlich anklagt: ob der Missachtung der Göttlichen Gebote, der bösen Taten und der niederen Leidenschaften. Diese Selbstanklagen bereiten größte Seelenschmerzen und dienen der Läuterung. Wenn eine Seele ihre Verfehlungen einsieht und bereut, kann ihr wiedererwachter Geist sie lenken, damit sie Schritt für Schritt ihre bösen Neigungen abstreift und die göttlichen Tugenden in sich aufnimmt. In den Fällen, in denen eine Seele verstockt in ihrer Bosheit verbleibt, bereitet sie sich selbst ein unglückliches Dasein. Da sie keinen irdischen Körper mehr besitzt und andererseits auch nicht in die geistige Sphäre eingehen kann, irrt sie ziellos über die Erde in der Nähe der Menschen. Sie wird dann von denen angezogen, deren schlechte Gedanken, böse Taten und niedere Leidenschaften mit ihrem eigenen Wesen übereinstimmen. Sie nimmt bei ihnen "Wohnung", beeinflusst sie zum Bösen, und dieser Zustand kann bis zur Besessenheit führen, wodurch es mit solchen Menschen immer schlimmer wird. Die erdgebundenen Seelen unterstützen Gewalttaten, verwirren den Verstand und verursachen Krankheiten; sie sind eine ständige Gefahr für alle Menschen. Aber es gibt einen Schutz: Die Menschen, die ihr Leben nach Gottes Willen ausrichten und gute Gedanken und Empfindungen aussenden, sind durch diese wie mit einer Schutzhülle umgeben, an der die übelwollenden Angriffe niederer Seelen abprallen, da deren Einflüsterungen in diesen Menschen keine Resonanz finden und sogleich verworfen werden; darüberhinaus können und sollen die Menschen guten Willens durch ihr Gebet und die Aussendung lichtvoller Gedanken den umnachteten Seelen helfen.
Gott verhindert das böse Treiben der finsteren Seelen nicht, da Er ihren freien Willen achten muss. Aber es kommt einmal der Tag — meist nach sehr langer Zeit — an dem die Seele ihres elenden Daseins müde wird und mit Ekel auf die Schandtaten zurückblickt, die sie verursacht hat. Wenn sie ehrlich bereut und um Vergebung und Hilfe bittet, kann ihr Geist im gleichen Augenblick helfend eingreifen und sie behutsam führen. Lichtgeister und Engel Gottes stehen dann ebenfalls zu ihrer Hilfe und Belehrung bereit. Nun kann in der geistigen Sphäre Stufe um Stufe der Aufstieg beginnen.
Der menschliche Geist — als göttlicher Funke in uns — steht im Gegensatz zum Körper, während die Seele zwischen beiden steht. Sie muß sich für den Geist oder für den Körper entscheiden, denn sie kann nicht gleichzeitig zwei Herren dienen. Entscheidet sie sich für den Geist, dann ist sie bereit, das Göttliche in sich aufzunehmen und sich der Führung des Geistes unterzuordnen. Gilt ihre Wahl dem Körper, dann unterwirft sie sich den Wünschen des Fleisches, und die in ihr vorhandenen Neigungen können sich nachteilig voll austoben. Praktisch gibt es nur zwei Pole und daher erwähnt der Herr in Seinen Unterweisungen die Seele, bzw. deren Funktionen wie Verstand, Gedanken, Gefühle etc. nicht so oft, wie Geist und Körper. Am häufigsten wird der "Geist" angesprochen — als der wichtigste Teil — wobei nach den vorstehenden Erläuterungen verständlich geworden ist, dass bei der allgemeinen Bezugnahme auf das Geistwesen auch die Seele mit inbegriffen ist, selbst wenn zwischen "Geist" und "Seele" noch nicht die vollkommene Einheit erreicht worden ist. — In den Neuoffenbarungen spricht der Göttliche Meister sehr oft von dem Kampf des Geistes gegen die Einflüsse des Körpers. Gemäß den vorausgehenden Erläuterungen ist dies so zu verstehen, dass es ein Kampf des Geistes mit der Seele ist, wenn dieselbe sich ganz "verfleischlicht" hat, d.h. ganz den Einflüssen des Körpers und allem Materiellen hörig geworden ist. Denn der Körper kann nicht direkt vom Geist geführt werden, sondern nur über die Seele.
In feiner Empfindsamkeit fühlte der große Dichter Goethe die beiden gegensätzlichen Kräfte, und in seinem "Faust" legt er einer Person die Worte in den Mund:
"Zwei Seelen wohnen "ach"! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält in derber Liebeslust
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen."
Er spricht von "zwei Seelen" in seiner Brust: Die eine Kraft, die Seele, hörig der Liebeslust und dem irdischen Denken und Wollen. Die andere Kraft, der Geist, will sich aus der Umklammerung der Sinne und des Materialismus befreien und sich zu den hohen Gefilden erheben, zum Göttlichen Geist, von dem er ausgegangen ist. Es ist der Konflikt zwischen Geist und Seele, wenn letztere die niederen Begierden der Körper-Natur noch nicht überwunden hat.
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